Welche Rolle hat das Soziale in krisenhaften Zeiten?
Jeder und jedem von uns wird es ähnlich gehen: Die Flut an Krisenmeldungen senkt sich auf uns wie der herbstliche Frühnebel. Klimawandel, Folgen der Coronakrise, zwei grausame Kriege in Europa, die Inflation, hohes Migrationsaufkommen, ein Resignieren vieler Menschen vor einem schwindenden sozialen Aufstiegsversprechen. All das beschäftigt uns, und wir werden mit Hiobsbotschaften aus den Medien überschwemmt. Welche Rolle hat in solch einer Situation das Soziale?
Zunächst einmal der Rat, persönlich nicht in eine Spirale eines „Immer mehr“ an Nachrichten zu stürzen. Damit ist niemandem geholfen. Eine gesunde Distanz zu den Weltthemen hilft, einen klaren Kopf zu behalten. Trotzdem zurück zum Sozialen und seinen Aufgaben in diesen Zeiten:
- Das Soziale federt für jede und jeden Einzelnen die Folgen der Krisen ab.
- Die soziale Infrastruktur ist immer auch Grundlage für alle anderen Wirtschaftsbereiche, die vor Ort in der Gemeinde und Kommune für Arbeit und Wohlstand sorgen.
- Die sozialen Dienste zeigen den Menschen täglich, dass das politische System unseres Landes funktioniert und sie in Notlagen darauf vertrauen können.
- Das Soziale ist die Brandmauer gegen rechts.
Wir erleben überall Verteilungskämpfe um Wohnraum, Essen oder Schlafplätze. Die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit befeuert soziale Spannungen und Spaltung. Davon profitieren besonders rechte Parteien, wie die Landtagswahlen in Bayern und Hessen bewiesen haben. Dabei verläuft der Graben nicht zwischen Geflüchteten und Deutschen, nicht zwischen Alten und Kindern, nicht zwischen Pflegebedürftigen und jungen Familien, sondern zwischen Arm und Reich.
Wenn nun die Haushalte auf Bundes- und Landesebene Kürzungen vornehmen, dann reißen sie damit diese Brandmauer ein Stück weit ein, bewusst und gewollt. Wenn die Förderkulisse stabil bleibt, ohne aber Steigerungen bei Personal- und Sachkosten abzubilden, geschieht das Gleiche: Im sozialen Bereich werden Stellen wegfallen, Beratungen ausdünnen, Pflegeverträge abgelehnt, Kinder nicht gebildet und betreut. Wir schätzen momentan, dass Kürzungen von 7 bis 8 Prozent in vielen Bereichen für 2024 zu erwarten sind. Es wird geplant, Bereiche zu verkleinern und auslaufen zu lassen. Einfach, weil das Geld fehlt. Und dies angesichts einer allgemeinen Lage, in der wir einen ordentlichen Ausbau des Sozialen brauchen, um die Gefahr von rechts einzudämmen.
Die Zeiten sind vorbei, in denen die Verbände der Wohlfahrt den Laden doch noch irgendwie zusammen-gehalten haben. Sie können nicht mehr und müssen beiseitetreten bei diesem gewollten Abbau der Mauer, die uns vor Demokratiefeindlichkeit, Ausgrenzung und Menschenverachtung über Jahrzehnte bewahrt hat.