Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes
Bereits 2007 hat die Bundesrepublik Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) ratifiziert und sich damit der Umsetzung der Rechte beeinträchtigter Menschen mit dem Ziel eines selbstbestimmten Lebens in der Gemeinschaft verpflichtet. Auch die AWO macht sich dafür in ihrem Grundsatzprogramm stark.
Mit dem Bundesteilhabegesetz soll das deutsche Recht in vier Reformstufen bis 2023 in Übereinstimmung mit den Vorgaben der UN-BRK weiterentwickelt werden. Ziel ist die gleichberechtigte, volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben sowie eine selbstbestimmte Lebensführung. Hierfür wird die Eingliederungshilfe aus dem in Deutschland historisch gewachsenen Fürsorgesystem herausgeführt und zu einem modernen Teilhaberecht weiterentwickelt. Das Gesetz zielt aber auch darauf ab, die Ausgabendynamik in der Eingliederungshilfe zu bremsen und verändert deshalb die Steuerungsmöglichkeiten der Leistungsträger erheblich.
In stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, die jetzt „Besondere Wohnformen“ heißen, ändert sich besonders viel. Dort werden die Fachleistungen der Eingliederungshilfe abgetrennt von den existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt. Bisher gab es die Leistungen im „Komplettpaket“. Neuerdings müssen unsere Klient*innen ihre Leistungen zum Lebensunterhalt extra beim Jobcenter beziehungsweise Sozialamt beantragen. Für diese und ihre Familien wird das Recht so komplizierter, die Unsicherheit größer. Menschen mit Behinderungen sollen ihr soziales Leben stärker nach ihren persönlichen Wünschen gestalten können. Dafür werden Assistenzleistungen jetzt ausdrücklich geregelt. Sie unterstützen im Alltag, zum Beispiel als Begleitung beim Einkauf. In Niedersachsen trat 2020 das „Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes“ in Kraft. Die AWO begleitet den Gesetzgebungs- und Umsetzungsprozess des Bundesteilhabegesetzes von Beginn an konstruktiv-kritisch und hat sich beispielsweise gegen neue Zugangshürden (Antragserfordernis) ausgesprochen oder die Gleichrangigkeit von Pflege und Eingliederungshilfe gefordert.
In Niedersachsen braucht die Eingliederungshilfe vor allem eine auskömmliche Finanzierung bei einem angemessenen Personalschlüssel. Die AWO setzt sich daher insbesondere für die Neugestaltung der Regelleistungsbeschreibungen und eine Vergütungssystematik ein, die sich am Bedarfsermittlungsinstrument B.E.Ni orientiert, Doppelstrukturen vermeidet und moderne Teilhabe möglich macht.